Was verursacht Haftreibung? Wie kann man sie reduzieren?
Sofern Sie nicht Geige spielen, ist Haftreibung (auch Stick-Slip genannt) ein unerwünschter Zustand, der durch den Unterschied zwischen statischer und dynamischer Reibung zwischen zwei Oberflächen verursacht wird. Tritt Haftreibung in Linearführungen auf, kann sie zu ruckartigen Bewegungen, Blockierungen, schwankenden Drehmomentanforderungen oder Genauigkeitsverlusten in Form von Überschwingen führen.
Was verursacht Haftreibung?
Der Haftreibungskoeffizient (μs) zwischen zwei Oberflächen ist fast immer höher als der Gleitreibungskoeffizient (μk), und diese Reibungsänderung ist die Hauptursache für Stick-Slip.
Alle Oberflächen weisen eine gewisse Rauheit auf. Selbst hochglanzpolierte Oberflächen sind nicht vollkommen glatt – sie haben Erhebungen (sogenannte „Raupen“) und Vertiefungen, die die effektive Kontaktfläche der Oberflächen verringern. Anders ausgedrückt: An manchen Stellen berühren sich nur die Erhebungen der beiden Oberflächen, während an anderen Stellen die Erhebungen der einen Oberfläche in die Vertiefungen der anderen sinken. Und an manchen Stellen besteht überhaupt kein Kontakt zwischen den Oberflächen.
Da die einzelnen Kontaktflächen sehr klein sind, ist der Druck zwischen den Oberflächen extrem hoch (Druck = Kraft ÷ Fläche), und es kommt an diesen Punkten durch einen als Kaltverschweißen bekannten Prozess zur Haftung.
Bevor sich die Oberflächen bewegen können, müssen die Bindungen, die diese Haftung verursachen, gelöst werden. Ebenso muss an Stellen, an denen sich die Oberflächen verhaken (die Erhebungen der einen Oberfläche sinken in die Vertiefungen der anderen), Abrieb oder plastische Verformung auftreten, um diese Verhakungen aufzubrechen und die Bewegung der Oberflächen zu ermöglichen.
Sobald die Antriebskraft ausreicht, um die Verbindungen zwischen den Oberflächen zu lösen und die Haftreibung zu überwinden, setzt die Bewegung ein. Doch selbst während der Bewegung entsteht noch ein gewisser Abrieb, da die Oberflächen noch nicht vollkommen glatt sind. Der Bewegungswiderstand aufgrund der verbleibenden Oberflächenrauheit wird als dynamische oder kinetische Reibung bezeichnet.
Wie man die Haftreibung verringert
Bei Linearführungen mit Schmierung (praktisch alle Umlauflager und einige Gleitlager) wird durch die Bewegung zwischen den Lagerflächen Schmierstoff in die mikroskopisch kleinen Zwischenräume gesaugt. Mit zunehmender Relativgeschwindigkeit der Flächen verdickt sich der Schmierfilm, der Flächenkontakt verringert sich und somit die Reibung zwischen den Flächen sinkt.
Linearlager bewegen sich nur eine begrenzte Strecke und kehren dann in die entgegengesetzte Richtung zurück (im Gegensatz zu Radiallagern, die sich unbegrenzt in derselben Richtung drehen können). Daher befinden sie sich einen Großteil der Zeit im sogenannten Mischreibungszustand, in dem die Reibung sowohl von den Oberflächeneigenschaften als auch von den Eigenschaften des Schmierstoffs abhängt. Aus diesem Grund ist eine sachgemäße Schmierung die beste Methode, die Haftreibung in Umlauflagern (und einigen Gleitlagern) zu kontrollieren oder zu reduzieren.
Stick-Slip, auch Haftreibung genannt, ist bei Gleitlagern oft problematischer als bei Kugelumlauflagern. Dies liegt daran, dass bei Gleitlagern der Unterschied zwischen statischem und dynamischem Reibungskoeffizienten größer ist. Der Reibungskoeffizient eines Gleitlagers kann zudem je nach Belastung, Verschleiß und Umgebungsbedingungen variieren.
Bei Gleitlagern auf runden Wellen lässt sich der Stick-Slip-Effekt unter anderem durch die Wahl von Wellen mit möglichst hoher Oberflächengüte (geringster Oberflächenrauheit) reduzieren. Die Einhaltung des 2:1-Verhältnisses (auch 2:1-Regel oder Klemmverhältnis genannt) – welches besagt, dass der Hebelarm maximal das Doppelte der Lagerlänge betragen darf – ist häufig notwendig, um Stick-Slip bei Gleitlagern zu verhindern.
Eine weitere Möglichkeit, Stick-Slip-Effekte zu minimieren oder sogar zu verhindern, ist der Einsatz von Luftlagerführungen. Bei Luftlagern hängt die Reibung ausschließlich von der durch die Bewegung verursachten Luftscherung ab. Daher ist der Unterschied zwischen statischer und kinetischer Reibung in einer Luftlageranordnung praktisch null, wodurch das Stick-Slip-Problem nahezu vollständig beseitigt wird.
Veröffentlichungsdatum: 11. Januar 2021





